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queerfeldein
Die interdisziplinäre Wandelperformance queerfeldein beleuchtet nicht-konventionelle Liebesbeziehungen im aktuellen und historischen Vorarlberg.
„Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen“ (F. Nietzsche)
In einer Gesellschaft, in der es schick wird, Homosexualität zu akzeptieren, schließen wir viele andere, queere Liebesformen immer noch aus. Bigamie – also die eheliche Partnerschaft mit zwei verschiedenen Personen – ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz strafbar. Aber warum eigentlich? Sollten wir daran etwas ändern? Wie beeinflusst unsere Beziehungsnorm Menschen, die einen anderen Weg gehen? Und liebst du überhaupt richtig?
Historische Geschichten:
Kaiser Maximilian erbaute das Schloss Amberg um ca. 1500 für seine zweite Geliebte, mit der er einen Sohn hatte.
1900 wurde Paula Ludwig auf Schloss Amberg geboren. Ein Großteil ihres literarischen Schaffens geht aus Inspirationen von ihrer langjährigen Dreiecksbeziehung mit Iwan und Claire Goll hervor.
Graf von Gleichen ist eine Sage über einen „zweibeweibten“ Mann, der mit beiden Frauen kirchlich getraut wurde.
Die drei Geschichten haben nicht nur die Beziehungskonstellation gemein. Auch ein soziales Gefälle, die spannungsvolle Einsamkeit, die religiöse Auseinandersetzung oder die Liebe zu Blumen begleitet deren Weg.
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Wir möchten mit Musik, Schauspiel und Literatur eine authentische Geschichte erzählen, die beweist, dass jede Liebe – so viel oder so wenig sie der Norm entspricht – eine echte Liebe ist.
Das Konzept queerfeldein gewann den internationalen HUGO Wettbewerb für Konzertdramaturgie und wird im Rahmen der Montforter Zwischentöne am 28.11.2021 in Feldkirch (Vorarlberg in Österreich) aufgeführt.
Einen künstlerischen Einblick bietet unser Trailer.
Musik & Literatur
Musikalische Grundlage ist Schuberts Skizzen-Oper „Graf von Gleichen“. Schubert hat kurz vor seinem Tod an der Geschichte um den bigamen Adligen gearbeitet und konnte sie trotz dringendem Wunsch im Krankenbett nicht vervollständigen. Richard Dünser hat Schuberts Einfälle mit auf den Weg in seine Heimat Vorarlberg genommen und orchestriert. Wir nehmen das Libretto von Bauernfeld, Schuberts und Dünsers Einfälle mit auf unseren eigenen Weg:
Wir ergänzen den Text mit Literatur der Goll-Ludwig-Beziehung und zeitgenössischen Texten.
Wir fügen Hammerklavier- und Jazzpiano-Aufnahmen, Interviews mit betroffenen Menschen und ExpertInnen der Region und elektronische Klänge zu Soundscapes zusammen, die das Orchester ersetzen.
Die drei ProtagonistInnen nehmen die Musik mit auf eigene Wege von der Klassik über Sprechgesang zu Latino-Jazz.
Die Skizze versinnbildlicht den musikalischen „Weg und Einfall“. Die Performance dreht sich um Wege und Einfälle zwischen eigener Sexualität und gesellschaftlicher Norm.
Programm:
Graf von Gleichen – Oper in Skizzen
von Franz Schubert (1797-1828 in Wien)
Orchestriert und vervollständigt
von Richard Dünser (*1959 in Bregenz)
Arrangements & Kompositionen für queerfeldein von Kiara Konstantinou & Magdiel Baptistin Vaillant
Konzept
Drei KünstlerInnen verkörpern in drei Räumen die drei Parteien einer bigamen Beziehung und spielen dreimal die gleiche Szene. Das Publikum wird in drei Gruppen geteilt, die sich auf die Räume verteilen. Nach jedem Durchgang führen Guides die Zuschauergruppen in den nächsten Raum und die ProtagonistInnen beginnen von vorne. Im Laufe der 60 Minuten vervollständigt sich die Handlung durch die drei verschiedenen Perspektiven.
Die Performance wird drei Mal mit je 50 Personen wiederholt. In jedem Raum gibt es fünf Sitzgelegenheiten.
Sollte keine Publikums-Performance möglich sein, wird eine Online-Ausstellung in drei Räumen erarbeitet.
Mithilfe der durchkomponierten Soundscapes können wir die Räume exakt timen. Die neu angelegte Musik wird genau auf die Räume und Raumwechsel angepasst. Die Gruppen begegnen sich während der Wechsel nicht. Sie folgen ihren Guides und benötigen keine komplexe Erklärung.
Unser Team ist sich einig: Wir haben Bedarf, uns mit Bigamie und queerer Liebe auseinanderzusetzen. Wir sind uns sicher, dass diese aktive Auseinandersetzung auch einen Mehrwert für das Publikum bietet. Deswegen laden wir Profis und queere Vereine aus der Region ein, um Beziehungsnormen zu sprengen. Wir verwenden Interviews in den Soundscapes, integrieren Briefe ins Bühnenbild und sprechen beim Aperó über unsere Lebens- und Liebeswege.
Kooperation:
Wir stehen in Kontakt mit Non-Monogamies and Contemporary Intimacies Conference, GoWest – Verein für Leben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter*, Queer in Bregenz, queer.lake – LGBTIQ*-Organisation rund um den Bodensee und dem Verein Vielfalt.
Handlung:
Die Handlung orientiert sich an Eduard Bauernfelds Libretto zur Oper „Graf von Gleichen“: Der Graf – in einem Feldzug verschleppt – vergeht vor Liebe zu seiner Gräfin, bis Suleika seine Gefühle in Wallung bringt. Der Graf überreicht der Sultanstochter eine besondere Blume und zieht sie – unwissend über die Macht der Blume – in den Strudel der bigamen Beziehung mit seiner Frau.
Suleika verrät ihre Werte, lässt den Vater zurück, und will in der Heimat des Grafen ein neues, unsichtbares Leben beginnen. Sie planen die Flucht.
Das Wiedersehen mit ihrem Ehemann holt die Gräfin aus einem tiefen Loch, denn ihr „Leben wird nur durch ihn verklärt“. Weil die Gräfin aber auch weiß, dass ihr Mann nur glücklich wird mit Suleika, akzeptiert sie eine zweite Frau an seiner Seite.
Parallelen zu Paula Ludwig und den Golls:
Ivan Goll lernt bei einem Literatendinner Paula Ludwig (geb. in Feldkirch) kennen und lieben. Paula, die in ihrer Jugend nichts mehr herbeisehnte, als Nonne zu werden, vergas diese Pläne. Ivan, der bereits mit Claire Goll (geb. Studer in Nürnberg) verheiratet war, teilte für viele Jahre seine Zeit und Liebe zwischen den Frauen, was sehr viele Reisen und Einsamkeit bedeutete.
Was die drei verband, war ihre Liebe zu Blumen. Was sie unterschied, war deren Religion: Ivan und Claire gehörten dem Judentum an und litten unter dem Nationalsozialismus. Paula entschied sich, aus Hass auf das Regime nach Brasilien zu fliehen und ein neues Leben zu beginnen.
Alle PartnerInnen bezogen viel, meist schmerzhafte, Inspiration aus der Beziehung: „Dem dunklen Gott“ oder die „Malaiischen Liebeslieder“ sind Beispiele. Dokumentiert wird deren Beziehung im Buch „Nur einmal noch werd ich dir untreu sein“, dem Briefwechsel der drei PartnerInnen zwischen 1917-1966. Während Paula sich auflehnt, ihrem Schmerz und ihrer Wut Raum gibt, wird Claire psychisch und physisch immer kränker ohne ihren Mann. Ihre letzten Lebensjahre widmete sie ganz seinem Werk.
Ablauf
Wege und Einfälle zum Konzert:
Eine Stunde vor der Performance laden wir das Publikum zu einem Aperó ein, bei dem sie die Performance kennenlernen. In drei Räumen diskutiert ein Beteiligter mit je einem Experten über die Musik, die Historie und die aktuelle Brisanz der Performance.
Kaminzimmer:
Der Saal im dritten Stock wird „befeuert“ durch Paula Ludwig, Suleika, der jungen Neuen, der Anderen. Verkörpert wird Paula von einer brasilianischen Jazzsängerin. Suleika sehnt sich mit ihrer Lieblingsknospe den Grafen herbei, der nicht lange auf sich warten lässt. So leidenschaftlich die Liebe der beiden ist, so wütet der Gedanke in Suleika, bald wieder allein zu sein. Denn der Graf eröffnet ihr, dass er seine Frau nie verlassen wird. Wieder allein verbrennt sie die Knospe als Abbild ihrer glühenden Wut. In einem letzten Brief möchte sie sich verabschieden.
Weinkeller:
Der Weinkeller ist der Raum der Gräfin, die soziale Norm, die nicht fliehen kann, Claire Goll. Sie versinkt im klassischen Frauenbild und in ihren Tränen. Verkörpert wird sie von einer klassischen Sopranistin, die Glasharfe spielt. Die Gräfin, die ihre Szene allein beginnt, muss feststellen, dass ihre Blume ertrunken ist. Sie schreibt ihrem Ehemann einen Brief und versinkt im Wasser, bevor sie von diesem gerettet wird.
Treppenhaus:
Die Treppen, der Weg zwischen den Liebenden, das soziale Gefälle, Höhen und Tiefen, sind der Raum Ivan Golls, des Grafen, des Menschen auf seinem Weg zur Liebe – verkörpert von einem Schauspieler. Zunächst allein, zieht ihn die Lust auf Neues bald zu Suleika. Unter gesellschaftlichem Druck und dem Gefühl der Unterwürfigkeit gegenüber seiner Geliebten zieht es ihn schnell durch das Treppenhaus zurück zu seiner Frau. Während seiner Abwesenheit verwandelt sich das Treppenhaus in einen interaktiven Weg des Publikums. Jede Treppenstufe erzeugt beim Betreten mithilfe von Playtronics einen Ton. Das Tonmaterial besteht aus den konsonanten Klängen der Frauenräume. Die so entste-henden Dissonanzen symbolisieren die Spannungen einer nichtkonventionellen Beziehung. Durch die eigenen Schritte beeinflusst das Publikum die Umgebung. Neben der Produktion und Rezeption der Klänge können die BesucherInnen an einer Schreibecke eigenen Gedanken aufschreiben.
Finale:
Am Ende der drei Durchläufe beobachtet das Publikum die Protagonisten durch die Türen und Fester, wie sie gemeinsam ihren Weg durch den Hof und den Garten beschreiten und durch die Lautsprecher tönt das gemeinsam gesungene Finale:
Ja, ihr werdet selbst im stummen Gedenken Gottes zusammen sein. Aber lasst Raum zwischen euch, Und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen. Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel: Lasst sie eher ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer Seelen sein. Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber lasst jeden von euch allein sein, so wie die Saiten einer Laute allein sind und doch von derselben Musik erzittern.
Khalil Gibran
Besetzung & Team:
Mara Maria Möritz (Leitung, Text, Visual Arts, Sopran)
Rachel Alonso Müller (Jazz-Vocals)
Lukas Amberger (Schauspiel)
Kiara Konstantinou (elektr. Komposition, Technik)
Magdiel Bapstistin Vaillant (Jazz-Arrangements und -Kompositionen, Recording, Guide)
Philippe Gaspoz (Aufnahmen Hammerklavier, Guide)
Mia Rosa (Kostümbildnerin, Guide)